Das Weihnachtsbäumchen
Die mächtige, uralte Tanne am Waldrand war hellwach. Es dämmerte in den Abend hinein. Der erste
Schnee war gefallen und der Wald sah aus wie gezuckert. Ein Rascheln und Rauschen wurde jetzt
immer lauter. Sie spähte über die große, weite Ebene. Dort kamen sie! Tausende von
Tannenbäumchen rannten über die weite, moosige Ebene, direkt auf die Tanne zu. Sie lächelte und
wippte mit ihren Ästen den Willkommensgruss. Alle stellten sich nun vor ihr auf, die Kleinsten in den
vordersten Reihen. «Ave!» begrüsste jetzt die ehrwürdige Tanne die zehntausenden von
Tannenbäumchen mit lauter Stimme. «Ave Artifex (grosser Meister)!» schallte es zurück. «Ich habe
Euch gerufen um einen wichtigen und einmaligen Auftrag zu erfüllen.» Alle spitzten die Ohren. Noch
nie waren so viele Bäume aufgeboten worden. «Heute ist der erste Advent» fuhr die große Tanne fort.
«Verteilt Euch im ganzen Land. Jeder von Euch sucht Menschen, die in ihrem Herzen noch die
Verbindung zum Himmel bewahrt haben!»
Es raschelte vernehmlich in der vordersten Reihe. Ein kleiner Baumknirps hob sein Asthändchen. Die Meister-Tanne neigte ihre Baumkrone nach unten.
«Ja?» «A-aber wie merke ich denn das?» fragte das kleine Bäumchen und sah sie mit großen Augen
an. «Das ist eine sehr gute Frage!» gab die weise Tanne zurück, lächelte das kleine Bäumchen, neigte
sich ganz nach unten und flüsterte dem Winzling ins Ohr: «Das ist deine große Stärke, die wichtigen
Fragen zu stellen, behalte diese Stärke unbedingt bei!» Das kleine Weisstännchen wurde beinahe zur
Rottanne vor Verlegenheit und strahlte mit heftigem Kopfnicken glücklich zurück. Die grosse Tanne
sprach: «Ihr seht das am Herzen der Menschen, wenn sich dort ein leuchtender Stern zeigt, sobald Ihr
mit ihm Kontakt aufnehmt.» Die große Versammlung nickte. Soweit war es klar. Aber was dann?
Artifex, die Meister-Tanne las ihre Gedanken. «Dann werdet Ihr zum Spiegel des Menschen! Zeigt ihm
seine Stärken, spiegelt ihm alle schönen Momente, die dieser Mensch das ganze Jahr hindurch
verursacht hat. Zeigt ihm, wie sich andere Menschen darüber gefreut haben. Lasst ihn das Strahlen in
den Augen der andern sehen und das Leuchten in den Herzen! Spiegelt ihm die Freude und das Glück im Großen und auch im winzig Kleinen. Wenn Ihr das schafft, wird dieser Mensch weiterhin mit
seinen Stärken wirken und das ganze Jahr Freude und Glück bringen.» Dann fuhr sie fort: «Überlegt
das, tauscht Euch aus.»
Nun kam Bewegung in die Baum-Gemeinde. Ein Rascheln, Raunen, Murmeln
wogte auf und ab. Bis es wieder ruhig wurde. «Fragen?» kam es knapp von der Meister-Tanne. Ein
Seniorenbaum räusperte sich: «Was machen wir mit den Schwächen des Menschen? Schließlich soll er
diese ja verbessern. Deshalb müssen wir sie ihm auch zeigen!?» «Nein, ich will nur die Stärken» war
die kurze Antwort. Eine Jungtanne doppelte nach. «Die Fehler sind doch wichtig, sonst wird der
Mensch ja nicht besser!?» Artifex entgegnete: «Beachtet nicht die Fehler, daraus lernt der Mensch von
selbst. Zeigt ihm seine Stärken, seine guten Taten. Das beflügelt ihn!» Der Dritte fragte: «Soll dann
jeder einfach so viele Fehler machen können, wie er will?» Auch dazu kam die Antwort kurz und
knapp: «Nein, nur so viele wie er braucht.» Ein ganz Schlauer wollte es genau wissen: «Wenn er alles
in seine Stärken steckt, hat er ja keine Kraft mehr, seine schwachen Seiten zu bekämpfen!?» Viele
Bäume nickten beifällig, der hatte es aber auf den Punkt gebracht! Der Meister-Baum streckte sich
und begann zu leuchten. Ehrfürchtig standen die zehntausenden von Bäumen noch enger zusammen.
Was kam wohl? «Hört mir genau zu! Das ist ein zentrales Thema. Ich will von Euch ab diesem Tag
eine andere Einstellung dazu, und eine klare, positive Haltung!» Uups! Eine klare Ansage. Artifex
strahlte königlich in die dunkle Nacht. «Stellt Euch die Erde als Kristallkugel vor. Darin sind Licht und
Schatten. Verschwendet nicht Eure Zeit damit, Schatten zu bekämpfen. Strahlt einfach Licht aus. Eines
Tages werden die Schatten keinen Platz mehr finden. Das ist alles.» Das große Schweigen breitete sich
aus. Wow! Welche Weisheit. Das war seine Stärke. Komplizierte Dinge auf einen einfachen Nenner zu
bringen. Nicht umsonst war er der Meister aller Bäume, Artifex. Er lächelte in die Runde. «Geht und
erfüllt Euren Auftrag als Botschafter der Stärken und des Lichtes. Ihr habt bis am Heiligabend dafür
Zeit. Spiegelt so vielen Menschen wie möglich ihre Stärken. So wird es ein wunderschönes
Weihnachtsfest und ein traumhaft glückliches neues Jahr!» Noch einmal wippte er mit seinen riesigen
Ästen zum Abschied. Ergriffen schauten die Divisionen von Bäumen zu, wie sich Artifex, der riesige
leuchtende Meisterbaum in hunderttausende kleiner Lichtfunken auflöste, die langsam zum Himmel
empor schwebten. Dann senkten sich die unzähligen Lichter auf die versammelten Bäume und
Bäumchen herab, bis sie alle aussahen wie kleine leuchtende Weihnachtsbäumchen.
Gegen Morgen schwebten die Bäume los ins ganze Land. Überall wurden sie am Himmel gesehen.
Funkelnd kamen sie langsam herab. Auf die Strassen und Plätze, vor die Häuser, in die
Einkaufszentren. Scheinbar ganz normale Weihnachtsbäumchen. Bis jeweils ein Mensch mit dem
Herzenslicht ein Bäumchen anblickte. Sogleich sah er in den Lichtfunken sein ganzes Jahr
vorüberziehen. Bilder entstanden, die nur für ihn selbst sichtbar wurden. Augenblicke des Glücks, die
er verbreitet hatte. Wie kleine Videos sah der Mensch die Szenen der Liebe, der Vergebung, des
Schenkens. Seine Stärken waren deutlich zu sehen. Vielleicht das Fragen und Warten anstelle des
Urteilens. Das Geben ohne Erwartungen an die andern. Das einfühlsame Handeln für die Partnerin,
den Partner. Die Überraschungen für die Kinder und Enkelkinder. Die Spende für andere Menschen.
Das Loben und Danken und die strahlenden Augen der Empfänger. Alles Stärken, die das Leben der
andern und das Miteinander verschönern.
Bild um Bild, Erinnerungen in Farben tauchten auf und vergingen wieder. Überwältigt standen die Menschen still. Ihre Uhr am Handgelenk löste sich auf und
wurde für kurze Zeit zur Lichtkugel. Die Weihnachtsbäumchen waren begeistert! Es waren viel mehr
Menschen mit Herzensfunken im Land, als sie angenommen, ja befürchtet hatten. Am Heiligabend
schwebten dann die Bäumchen zu den Menschen und standen klein und still in einer freien Ecke des
Raumes, funkelnd und farbig leuchtend. Es war traumhaft. Erst nach den zwölf heiligen Nächten
waren sie verschwunden. Keiner wusste wohin. Nur Artifex, die weise alte Tanne hatte alles überblickt.
Sie war mehr als zufrieden. Die Menschen glaubten an ihre Stärken, und was sie alles damit erreichen
konnten. Für sich selbst und für die andern. Es stand ein glückliches neues Jahr bevor!
Schnee war gefallen und der Wald sah aus wie gezuckert. Ein Rascheln und Rauschen wurde jetzt
immer lauter. Sie spähte über die große, weite Ebene. Dort kamen sie! Tausende von
Tannenbäumchen rannten über die weite, moosige Ebene, direkt auf die Tanne zu. Sie lächelte und
wippte mit ihren Ästen den Willkommensgruss. Alle stellten sich nun vor ihr auf, die Kleinsten in den
vordersten Reihen. «Ave!» begrüsste jetzt die ehrwürdige Tanne die zehntausenden von
Tannenbäumchen mit lauter Stimme. «Ave Artifex (grosser Meister)!» schallte es zurück. «Ich habe
Euch gerufen um einen wichtigen und einmaligen Auftrag zu erfüllen.» Alle spitzten die Ohren. Noch
nie waren so viele Bäume aufgeboten worden. «Heute ist der erste Advent» fuhr die große Tanne fort.
«Verteilt Euch im ganzen Land. Jeder von Euch sucht Menschen, die in ihrem Herzen noch die
Verbindung zum Himmel bewahrt haben!»
Es raschelte vernehmlich in der vordersten Reihe. Ein kleiner Baumknirps hob sein Asthändchen. Die Meister-Tanne neigte ihre Baumkrone nach unten.
«Ja?» «A-aber wie merke ich denn das?» fragte das kleine Bäumchen und sah sie mit großen Augen
an. «Das ist eine sehr gute Frage!» gab die weise Tanne zurück, lächelte das kleine Bäumchen, neigte
sich ganz nach unten und flüsterte dem Winzling ins Ohr: «Das ist deine große Stärke, die wichtigen
Fragen zu stellen, behalte diese Stärke unbedingt bei!» Das kleine Weisstännchen wurde beinahe zur
Rottanne vor Verlegenheit und strahlte mit heftigem Kopfnicken glücklich zurück. Die grosse Tanne
sprach: «Ihr seht das am Herzen der Menschen, wenn sich dort ein leuchtender Stern zeigt, sobald Ihr
mit ihm Kontakt aufnehmt.» Die große Versammlung nickte. Soweit war es klar. Aber was dann?
Artifex, die Meister-Tanne las ihre Gedanken. «Dann werdet Ihr zum Spiegel des Menschen! Zeigt ihm
seine Stärken, spiegelt ihm alle schönen Momente, die dieser Mensch das ganze Jahr hindurch
verursacht hat. Zeigt ihm, wie sich andere Menschen darüber gefreut haben. Lasst ihn das Strahlen in
den Augen der andern sehen und das Leuchten in den Herzen! Spiegelt ihm die Freude und das Glück im Großen und auch im winzig Kleinen. Wenn Ihr das schafft, wird dieser Mensch weiterhin mit
seinen Stärken wirken und das ganze Jahr Freude und Glück bringen.» Dann fuhr sie fort: «Überlegt
das, tauscht Euch aus.»
Nun kam Bewegung in die Baum-Gemeinde. Ein Rascheln, Raunen, Murmeln
wogte auf und ab. Bis es wieder ruhig wurde. «Fragen?» kam es knapp von der Meister-Tanne. Ein
Seniorenbaum räusperte sich: «Was machen wir mit den Schwächen des Menschen? Schließlich soll er
diese ja verbessern. Deshalb müssen wir sie ihm auch zeigen!?» «Nein, ich will nur die Stärken» war
die kurze Antwort. Eine Jungtanne doppelte nach. «Die Fehler sind doch wichtig, sonst wird der
Mensch ja nicht besser!?» Artifex entgegnete: «Beachtet nicht die Fehler, daraus lernt der Mensch von
selbst. Zeigt ihm seine Stärken, seine guten Taten. Das beflügelt ihn!» Der Dritte fragte: «Soll dann
jeder einfach so viele Fehler machen können, wie er will?» Auch dazu kam die Antwort kurz und
knapp: «Nein, nur so viele wie er braucht.» Ein ganz Schlauer wollte es genau wissen: «Wenn er alles
in seine Stärken steckt, hat er ja keine Kraft mehr, seine schwachen Seiten zu bekämpfen!?» Viele
Bäume nickten beifällig, der hatte es aber auf den Punkt gebracht! Der Meister-Baum streckte sich
und begann zu leuchten. Ehrfürchtig standen die zehntausenden von Bäumen noch enger zusammen.
Was kam wohl? «Hört mir genau zu! Das ist ein zentrales Thema. Ich will von Euch ab diesem Tag
eine andere Einstellung dazu, und eine klare, positive Haltung!» Uups! Eine klare Ansage. Artifex
strahlte königlich in die dunkle Nacht. «Stellt Euch die Erde als Kristallkugel vor. Darin sind Licht und
Schatten. Verschwendet nicht Eure Zeit damit, Schatten zu bekämpfen. Strahlt einfach Licht aus. Eines
Tages werden die Schatten keinen Platz mehr finden. Das ist alles.» Das große Schweigen breitete sich
aus. Wow! Welche Weisheit. Das war seine Stärke. Komplizierte Dinge auf einen einfachen Nenner zu
bringen. Nicht umsonst war er der Meister aller Bäume, Artifex. Er lächelte in die Runde. «Geht und
erfüllt Euren Auftrag als Botschafter der Stärken und des Lichtes. Ihr habt bis am Heiligabend dafür
Zeit. Spiegelt so vielen Menschen wie möglich ihre Stärken. So wird es ein wunderschönes
Weihnachtsfest und ein traumhaft glückliches neues Jahr!» Noch einmal wippte er mit seinen riesigen
Ästen zum Abschied. Ergriffen schauten die Divisionen von Bäumen zu, wie sich Artifex, der riesige
leuchtende Meisterbaum in hunderttausende kleiner Lichtfunken auflöste, die langsam zum Himmel
empor schwebten. Dann senkten sich die unzähligen Lichter auf die versammelten Bäume und
Bäumchen herab, bis sie alle aussahen wie kleine leuchtende Weihnachtsbäumchen.
Gegen Morgen schwebten die Bäume los ins ganze Land. Überall wurden sie am Himmel gesehen.
Funkelnd kamen sie langsam herab. Auf die Strassen und Plätze, vor die Häuser, in die
Einkaufszentren. Scheinbar ganz normale Weihnachtsbäumchen. Bis jeweils ein Mensch mit dem
Herzenslicht ein Bäumchen anblickte. Sogleich sah er in den Lichtfunken sein ganzes Jahr
vorüberziehen. Bilder entstanden, die nur für ihn selbst sichtbar wurden. Augenblicke des Glücks, die
er verbreitet hatte. Wie kleine Videos sah der Mensch die Szenen der Liebe, der Vergebung, des
Schenkens. Seine Stärken waren deutlich zu sehen. Vielleicht das Fragen und Warten anstelle des
Urteilens. Das Geben ohne Erwartungen an die andern. Das einfühlsame Handeln für die Partnerin,
den Partner. Die Überraschungen für die Kinder und Enkelkinder. Die Spende für andere Menschen.
Das Loben und Danken und die strahlenden Augen der Empfänger. Alles Stärken, die das Leben der
andern und das Miteinander verschönern.
Bild um Bild, Erinnerungen in Farben tauchten auf und vergingen wieder. Überwältigt standen die Menschen still. Ihre Uhr am Handgelenk löste sich auf und
wurde für kurze Zeit zur Lichtkugel. Die Weihnachtsbäumchen waren begeistert! Es waren viel mehr
Menschen mit Herzensfunken im Land, als sie angenommen, ja befürchtet hatten. Am Heiligabend
schwebten dann die Bäumchen zu den Menschen und standen klein und still in einer freien Ecke des
Raumes, funkelnd und farbig leuchtend. Es war traumhaft. Erst nach den zwölf heiligen Nächten
waren sie verschwunden. Keiner wusste wohin. Nur Artifex, die weise alte Tanne hatte alles überblickt.
Sie war mehr als zufrieden. Die Menschen glaubten an ihre Stärken, und was sie alles damit erreichen
konnten. Für sich selbst und für die andern. Es stand ein glückliches neues Jahr bevor!
Franziska Beerle
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© Franziska Beerle 2023